Hintergründe

Sein Beruf? Profi-Fahrgast

Normalerweise soll niemand bei PostAuto wissen, wann er mitfährt. Wie ein Restauranttester testet Markus, getarnt als gewöhnlicher Fahrgast, die Servicequalität im öffentlichen Verkehr. Wir durften ihm ausnahmsweise über die Schulter blicken.

Mischa Stünzi

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Mann im PostAuto mit gelben Hintergrund
Seit acht Jahren prüft Markus auf Testfahrten inkognito die Qualität verschiedener öV-Unternehmen – auch von PostAuto. Dabei hat er schon so einiges erlebt. ©Yves Bachmann

Wenn Markus im Postauto mitfährt, gleicht er einem Vermieter bei der Wohnungsübergabe: Kritisch prüft er die Sauberkeit des Fahrzeugs, streicht mit dem Finger über die Haltestangen auf der Suche nach Staubresten und hält alles akribisch fest. Markus ist aber nicht einfach ein penibler Fahrgast, Markus ist Testfahrer für das Unternehmen ETC Solutions. Er und seine rund 60 Kolleginnen und Kollegen prüfen im Auftrag des Bundesamts für Verkehr (BAV) schweizweit öV-Unternehmen – unter anderem PostAuto. Wir hatten die seltene Gelegenheit, Markus auf seiner Tour zu begleiten. Unter einer Bedingung: Wir geben seine Identität nicht preis.

Markus’ Testreise beginnt 20 Minuten vor der Abfahrt am Bahnhof Bern. Seine Kriterienliste hier ist lang: Sind die Bänke im Wartebereich sauber? Funktioniert die Beleuchtung? Und der Billett-Entwerter? Das Smartphone führt ihn durch den standardisierten Fragebogen. Die Punkte, die Markus vergibt, spiegeln nicht sein eigenes Empfinden. Stattdessen basiert die Bewertung auf Richtlinien, die genau vorschreiben, welche Situation wie zu bewerten ist. Das soll ein Resultat liefern, das so objektiv und nachvollziehbar wie möglich ist, wie Projektleiterin Mirjam Birrer sagt.

Lob für unser Fahrpersonal

Pünktlich, 9:08 Uhr fährt der Kurs Richtung Zollikofen los. Markus ist wie immer vorne eingestiegen und hat den Fahrer auf die Probe gestellt: «Fahren Sie nach Herrenschwanden?» «Grüessech. Ja, auch nach Herrenschwanden.» Den ersten Test hat der Kollege am Steuer mit Bravour bestanden. Doch Markus behält ihn im Auge. «Ich habe in den acht Jahren im Job einiges erlebt: vom Chauffeur, der während der Fahrt ein SMS schreibt oder Billette verkauft, bis zu einem, der Schlangenlinien fuhr.» Das sei aber alles nicht in einem Postauto passiert, betont Markus und lobt die hohe Qualität der Postauto Fahrerinnen und Fahrer.

Mann mit Jeans steigt in Postauto ein.
Die Testfahrerinnen und -fahrer vermitteln einen generellen Eindruck, wie kompetent das Fahrpersonal ist und wie gut die Aufenthaltsqualität und Sauberkeit der Haltestellen und Fahrzeuge sind. © Yves Bachmann

Die Testfahrerinnen und -fahrer stellen so oder so kein Zeugnis über einzelne Angestellte aus. Sie vermitteln einen generellen Eindruck, wie kompetent das Fahrpersonal ist und wie gut die Aufenthaltsqualität und Sauberkeit der Haltestellen und Fahrzeuge sind. Die Angaben liefert die Firma ETC monatlich an PostAuto. Unter anderem an Stefan Huber vom Qualitätsmanagement Gebiet Mitte. «So können wir allfällige Problemherde rasch identifizieren», sagt Stefan.

Die Auswertung zeigt auch, wie gut PostAuto im Vergleich zu anderen Transportunternehmen dastehen. «Wir müssen nicht – koste es, was es wolle – Klassenbeste sein», findet Stefan. «Aber wir wollen unsere Qualität halten, und das zu einem guten Preis.»

Plötzlich stand alles still

Markus ist mittlerweile in Herrenschwanden angekommen und wartet auf das Poschi, das ihn zurück nach Bern bringt. Da passiert beinahe ein Missgeschick. Während er von seinem Job erzählt, nähert sich ein Postauto. Die Destination stimmt. Auch wenn die Zeit etwas zu früh ist, machen wir uns zum Einsteigen bereit. Markus, ganz Profi, schaut noch kurz auf den Fahrplan. «Unseres kommt erst in drei Minuten.»

Unter anderem wegen solcher Situationen müsse er jederzeit auf der Hut sein, sagt Markus. «Wenn ein Bus oder ein Zug verspätet ist, musss ich überlegen, ob ich eine Station früher umsteige als geplant, oder ob ich die nächste Verbindung nehme.» Das müsse er oft in Sekunden entscheiden. Nicht immer bleibt es wie bei uns beim Fast-Vorfall: Neulich, erzählt Markus, sei ein Bus auf einer Testfahrt mitten in eine handgreifliche Auseinandersetzung auf der Strasse geraten. Da sei auf einmal alles stillgestanden, und er habe die Tour komplett umstellen müssen.

Eine Testfahrt dauert im Schnitt um die sechs Stunden und findet mit unterschiedlichen Transportmitteln statt. Oft sind Testfahrerinnen und -fahrer auch auf Postauto-Linien unterwegs. Mirjam schätzt, dass allein im Raum Bern praktisch täglich jemand in einem Postauto mitfährt – und dabei wie Markus mit dem Finger über die Haltestangen streicht.

verfasst von

Mischa Stünzi

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