Hintergründe

«Wir müssen überlegen: Welchen öV wollen wir zu welcher Qualität?»

Knappe Ressourcen, neue Mobilitätsformen, E-Postautos: Christian Plüss, Leiter Mobilitäts-Services, wirft einen Blick in die Zukunft des öffentlichen Verkehrs und von PostAuto.

Susanna Stalder

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Mann sitzt in Postauto
Christian Plüss, Leiter Mobilitäts-Services

Christian, welche Entwicklung im öffentlichen Verkehr findest du aktuell besonders spannend?

Eine, die zunächst einmal nicht so angenehm tönt: Der finanzielle Druck nimmt zu. Es wird nicht mehr wie früher alles bezahlt. Das zwingt uns als Gesellschaft und als Branche, ernsthaft zu überlegen: Welchen öV wollen wir zu welcher Qualität? Sind mehr Kilometer immer besser – oder gestalten wir die Angebote flexibler als heute? Diese Überlegungen finde ich sinnvoll und spannend.

Was heisst das für PostAuto?

Die knapperen Ressourcen zwingen die Besteller, also die Kantone und Gemeinden, zu entscheiden, wofür sie Geld ausgeben wollen. Wir sind bereits am Sparen und Schräubeln. Irgendwann können wir keine Kosten mehr reduzieren, ohne dass man es bei der Qualität merkt. Wir sind ziemlich nah an diesem Punkt. Wenn wir zum Beispiel die Anzahl Reservefahrzeuge weiter verringern, und dann hat ein Fahrzeug eine Panne, dann werden Kurse ausfallen. Heute passiert das praktisch nie. Wir sind unglaublich zuverlässig.

Es gibt fast 1000 Postauto-Linien. Werden mittelfristig einige davon aufgehoben?

Das entscheidet der Besteller, es wäre aber nicht in jedem Fall dramatisch. Es geht um ein bedürfnisgerechtes Angebot, nicht darum, dass das Postauto unbedingt im Halbstundentakt in jedes Dorf fährt. Heute verteidigen wir gemeinsam mit der Lokalpolitik jede Linie. Hier müssen wir die Denkweise ändern und offen sein gegenüber neuen Lösungen.

Du sprichst On-Demand-Angebote an, also Fahrten auf Bestellung?

Unter anderem. Neben den On-Demand-Lösungen gehören auch das autonome Fahren, Carpooling und die Mikromobilität zu einem Gesamtkonzept. Mikromobilität umfasst etwa Trottinetts und Velos. Post Company Cars arbeitet zum Beispiel bereits mit dem Startup Urban Connect zusammen, um Firmen umfassende Mobilitätsangebote anzubieten. Ich bin überzeugt, dass der öV flexibler und individualisierter wird. Und die Post ist bezüglich neuer Mobilitätsformen gut aufgestellt.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Fahrerinnen und Fahrer?

Zwar werden in Zukunft auch andere Kompetenzen wie die Remote-Steuerung von Fahrzeugen gefragt sein. Wer heute fährt, wird dies aber noch lange tun können. Zudem gibt es in einigen Regionen aktuell eher einen Personalmangel. Apropos Fahrpersonal ist mir wichtig zu erwähnen: Ich erhalte oft Komplimente von Kundinnen und Kunden. Beispielsweise, dass der Fahrer das Gepäck einlädt oder die Fahrerin erst losfährt, wenn sich eine ältere Person hingesetzt hat.

Stimmt der Eindruck, dass sich die Leute punkto Mobilität anders verhalten seit der Corona-Zeit?

Von den gesamten Fahrgast-Zahlen her weniger stark, als man erwarten würde. PostAuto ist seit über 100 Jahren in einem Markt tätig, der praktisch immer wächst. Wegen Corona sind die Zahlen im öV zwar kurzzeitig eingebrochen. Jetzt sind wir aber wieder zurück auf dem Pfad mit einem jährlichen Wachstum von circa 2 Prozent. Und doch hat es in den letzten Jahren Verlagerungen gegeben.

Inwiefern?

Der Pendlerverkehr hat abgenommen. Das ist aber durch den Freizeitverkehr überkompensiert worden. Das heisst: Viele Arbeitnehmende pendeln nicht mehr jeden Tag, an den Wochenenden und in der Freizeit sind hingegen mehr Leute unterwegs.

Entsprechend braucht es neue Ticketangebote.

Ja, zum Beispiel gibt es seit ein paar Monaten das öV-Sparangebot «Halbtax Plus». Es richtet sich an Leute, die regelmässig, aber nicht täglich pendeln, und ist bereits ein grosser Erfolg. Zunehmend setzen wir als Branche auf die digitale Schiene: Man checkt per Handy vor der Fahrt ein und nach der Fahrt aus und erhält dadurch den besten Preis. Ein Pilotversuch dazu läuft in diesem Jahr an.

verfasst von

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