Hintergründe

Ein Film in 4500 Bildern

Die Post ist engagiert für Film und Kultur. Dieses Jahr unterstützt sie nicht nur das Locarno Film Festival, sondern auch das Filmprojekt von Valentin Merz. In der Hauptrolle: Postkarten und mexikanische «Organilleros».

Stefan Kern

Inhaltsbereich

Plüschaffe sitzt vor einer Drehorgel

Ein warmer Wind weht durch die Gassen Locarnos, getragen von melancholischen Melodien. Die Menschen schauen sich verdutzt an. «Sind das wirklich Drehorgeln?», hört man die Besucherinnen und Besucher des Filmfestivals vereinzelt fragen, während die Klänge langsam lauter werden.

Von der Leinwand in die Gassen

Die Verwunderung besteht zurecht. Nicht nur sind Drehorgeln bei uns schon lange ausgestorben, werden sie an diesem Abend auch noch von uniformierten Personen gespielt. Wer am 3. August an der Premiere von Valentin Merz’ Film war, kennt die Auflösung. «Das sind die ‘Organilleros’ aus dem Film ’Mi organillo’!», hört man einen Festivalbesucher erstaunt sagen.

Langsam bahnen sich die Orgelspielerinnen und -spieler ihren Weg durch die Menschenmenge und verteilen dabei Postkarten. Aber was haben Postkarten mit Orgelspielerinnen und Orgelspielern aus Mexiko zu tun? Im neuesten Film von Valentin Merz führen uns die «Organilleros» mit ihrer Musik durch berührende Orte. Während des Festivals ziehen die Protagonistinnen und Protagonisten aus dem Film mit ihren Orgeln durch die Gassen Locarnos und verteilen insgesamt 4500 Postkarten. Dabei stellt jede Postkarte einen anderen Moment des Films dar. Aneinandergereiht zeigen Sie den Film in tausenden von Einzelbildern. So tauchen die Festivalbesucherinnen und -besucher nicht nur filmisch in fremde Welten ein, sondern werden an diesem Abend auch Teil der Geschichte.

Besucherin des Filmfestivals schreibt eine Postkarte

Aus einer anderen Zeit

Getragen wird der Film vom Lied «La Paloma». Merz erklärt: «Dies ist ein beliebter spanischer Song aus dem 19. Jahrhundert, der von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern neu interpretiert wurde. Ausserdem ist die Taube ‘La Paloma’ ein Zeichen für den Frieden.»

Nicht nur das Lied, sondern auch die Musikinstrumente scheinen aus einer anderen Zeit zu sein. Hierzulande trifft man diese Drehorgeln höchstens noch im Museum an. In Mexiko-Stadt gehören sie hingegen zum gewohnten Stadtbild. Gespielt werden die Instrumente, die aus dem frühen 20. Jahrhundert stammen, von den Mitgliedern der «Unión de Organilleros», der Gewerkschaft der Drehorgelspielerinnen und -spielern. Ihr Erkennungszeichen ist die Uniform.

Drehorgelspieler in typischer Uniform
© Andrea Film

Aber wieso Mexiko? Merz erklärt: «Ich wurde angefragt, ob ich einen Kurzfilm produzieren kann, der auch eine Postkartenserie sein kann. Das Projekt führte mich nach Xochmilco im Süden von Mexiko-Stadt. Es ist ein Ort, der von folkloristischer Kultur, Festen, trashigen Partys und poetischen Landschaften geprägt ist. Für mich ist es ein vertrauter Ort, für das Publikum in Locarno dürfte er eher unbekannt sein. Es ist, als ob man eine Postkarte an einen guten Freund von einem Ort verschicken würde, der einem am Herzen liegt.» Mit seinem Projekt zeigt Valentin Merz: Musik und Postkarten bringen die Menschen auf emotionale Weise zusammen – und das rund um den Globus und in den verschiedensten Kulturen.

Boote auf einem Fluss
Auf unzähligen Booten wird im Süden von Mexiko-Stadt gefeiert. © Andrea Film
Junge Menschen tanzen auf einem Boot
© Andrea Film
Mann kocht auf einem Boot
© Andrea Film
Zwei Musiker singen und spielen Gitarre
© Andrea Film
Baum behängt mit Puppen
Auf der«Isla de las Muñecas» hängen Hunderte Puppen in den Bäumen. Sie sollen den Geist eines toten Mädchens beruhigen. © Andrea Film

Die Post: engagiert für Kunst und Kultur

Seit 2002 ist die Post offizielle Sponsorin des Locarno Film Festival. Was einst als Logistiksponsoring begann, ist heute ein breites Engagement für die Filmkunst. So unterstützt die Post ab diesem Jahr nebst dem Festival auch das BaseCamp und daraus entstehende Projekte. Das BaseCamp bietet jungen Kunst- und Filmschaffenden im Rahmen des Festivals einen Ort, um ihre Ideen realisieren zu können. Aus der Unterstützung des BaseCamp ging auch die Zusammenarbeit mit Valentin Merz hervor. «Wir freuen uns, Teil des BaseCamp und des Locarno Film Festival zu sein und mit unserem Engagement junge Kunstschaffende zu unterstützen», sagt Kim Haldemann der Post, die sich für die Zusammenarbeit verantwortlich zeichnet (mehr zum BaseCamp in der Box).

Jede Postkarte ein Unikat

Zurück in den Gassen Locarnos. Die Postkarten ziehen die Leute in ihren Bann – so fest, dass viele nicht bemerken, wie die Karawane langsam weiterzieht. Die Melodien verschwinden im Stimmengewitter der Piazza Grande, als auch schon der Gong die nächste Vorführung ankündigt. Rasch verschwinden die Postkarten in den Hand- und Vestontaschen. Und während auf der Leinwand die nächste Geschichte beginnt, wird anderntags die Geschichte von «Mi organillo» vielleicht zu Ende geschrieben. «Es sind die Besucherinnen und Besucher, die den Ausgang bestimmen. Oder besser gesagt: die Ausgänge. Denn jede Postkarte ist ein Unikat und wurde nur ein einziges Mal gedruckt», so Merz.

«Mi organillo» – hier den ganzen Film anschauen

Mi organillo der Film

Hub für Kreative: das BaseCamp am Locarno Film Festival

Das BaseCamp ist während elf Tagen ein Hub für junge Kunstschaffende, von dem aus sie das Locarno Film Festival besuchen und ihre Projekte realisieren können. Die Post unterstützt als offizielle Partnerin nicht nur das Festival, sondern auch das BaseCamp. In Losone kommen rund 200 aufstrebende, 18- bis 30-jährige Kunstschaffende aus der ganzen Welt und aus verschiedenen Kunstbereichen zusammen. Sie wurden vorgängig ausgewählt und bereiten je ein Kunstprojekt vor. Während des Festivals können sie ihr Talent zeigen, ihre Ideen teilen, Synergien nutzen und neue Projekte lancieren. Das BaseCamp ist auch für externe Personen zugänglich. Mehr Informationen zum BaseCamp: https://festivalbasecamp.ch.

Künstler im BaseCamp in Losone

verfasst von

Stefan Kern