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«Wir haben die Rollen getauscht»

Beim Speeddating lernen sich zwei Personen mit ähnlichen Interessen kennen. Doch beim Reverse Mentoring wird nicht privat angebandelt, sondern ein berufliches Tandem gebildet, bei dem die jüngere Person eine Führungskraft 40+ coacht.

Sandra Gonseth

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Das Tandem Vera Müller und Daniel Vögeli sind auch beim Fotoshooting offen für Neues und fahren vor dem Hauptgebäude der Post im Berner Wankdorf eine Runde auf dem Fahrrad.
Das Tandem Vera Müller und Daniel Vögeli sind auch beim Fotoshooting offen für Neues und fahren vor dem Hauptgebäude der Post im Berner Wankdorf eine Runde auf dem Fahrrad. (Copyright: Monika Flückiger)

Eines dieser Tandems bilden Vera Müller (26) und Daniel Vögeli (42). Sie, Betriebsökonomin und Trainee bei der Post; er, ehemaliger Mittel- und Langstreckenläufer und heute Mitglied der Geschäftsleitung von Swiss Post Solutions Schweiz. Beide beweisen ihre Offenheit für Neues auch kurz vor dem Interview. Als wir sie an diesem herbstlichen Morgen für ein Foto auf das Fahrrad bitten, stimmen beide sofort zu. Und noch vor den ersten Regentropfen ist das Bild im Kasten. Es zeigt ein Team, das auch auf dem Bild wunderbar harmoniert.

Vera Müller, was halten Sie von den digitalen Kompetenzen älterer Mitarbeitender?

Das hat für mich nichts mit dem Alter zu tun. Ich kenne 80-Jährige, die besser mit dem iPad umgehen können als ich. Nur setzt man bei uns Jungen diese Kompetenzen automatisch voraus. Ich beobachte bei Älteren oft zwei Lager: Man hat Schritt gehalten oder sagt ganz klar, das ist nichts für mich. Schade finde ich eigentlich nur, wenn man nicht den Mut hat, etwas Neues auszuprobieren.

Daniel Vögeli: Da kann ich dir nur zustimmen. Ich sehe das bei meinen Kindern. Sie sind nicht überall digital fit, sondern einfach in gewissen Bereichen. Nämlich dort, wo es sie interessiert.

Daniel Vögeli, wie sehen Sie die junge Generation?

Die heutigen Jungen sind extrem flexibel und an vielem interessiert. Sie sind nicht mehr voll auf Leistung aus. Das, was sie tun, muss Sinn machen. Die Digitalisierung ist für sie kein Thema, weil sie für sie selbstverständlich ist. Doch sie ist auch für mich keine Altersfrage. Es gibt Leute, die kurz vor der Pensionierung stehen und immer noch sehr offen für solche Themen sind, und es gibt Jüngere, die sich wenig dafür interessieren.

Und zu welchen gehören Sie?

Ich fühle mich digital sehr zu Hause. Ich habe der Digitalisierung zwar auch Respekt entgegengebracht, hatte aber nie Angst davor. Mit drei Kindern ist man gezwungen, diesen Weg mitzugehen. Zudem arbeite ich bei der Post in einem Bereich, der sich tagtäglich mit diesem Thema befasst.

Vera Müller: Das kann ich nur bestätigen. Ich war wirklich erstaunt, wie weit gewisse Bereiche wie SPS sind. Dort nimmt man die Digitalisierung bereits in den Prozessen wahr.

Daniel Vögeli: Die Digitalisierung ist unser Geschäft. Wenn wir dort nicht fit sind, haben wir ein Problem.

Weshalb haben Sie beim Reverse Mentoring mitgemacht?

Daniel Vögeli: Ich finde den Ansatz sehr interessant, dass jüngere Personen «ältere» Personen coachen. Zudem finde ich es äusserst bereichernd. Vera hat mir gute Feedbacks gegeben, dank deren ich mich persönlich weiterentwickeln kann.

Wie schwierig ist dieser Rollentausch?

Vera Müller: Als Trainee ist man immer noch am Lernen. Man ist gewohnt, Feedback von Vorgesetzten zu erhalten. Deshalb war es herausfordernd, nicht automatisch in diese Rolle zurückzufallen. Man muss sich getrauen, die neue Rolle einzunehmen.

Daniel Vögeli: Vera hat nicht nur mir, sondern dem ganzen Team wertvolle Inputs geliefert. Wenn sie nicht bereit gewesen wäre, diese Feedbacks zu geben, wäre es schwierig geworden.

Daniel Vögeli, Leiter Mailroom Services bei  Swiss Post Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung SPS Schweiz, und Vera Müller, Trainee bei der Personal- und Organisationsentwicklung der Post, diskutieren über ihre Erfahrungen beim Reverse Mentoring.
Daniel Vögeli, Leiter Mailroom Services bei Swiss Post Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung SPS Schweiz, und Vera Müller, Trainee bei der Personal- und Organisationsentwicklung der Post, diskutieren über ihre Erfahrungen beim Reverse Mentoring. ( Copyright: Monika Flückiger)

Konnten Sie dadurch bereits etwas nachhaltig verändern?

Daniel Vögeli: Vera hat uns Methoden aufgezeigt, wie wir die Arbeitswelt bei SPS besser strukturieren können. Momentan überlegen wir, welche Methode wir einführen wollen.

Haben sich die Erwartungen aneinander erfüllt?

Daniel Vögeli: Aus meiner Sicht sehr. Ich war eher etwas kritisch eingestellt. Ich fand das Programm zwar interessant, aber ich wusste nicht, welche Leute mitmachen würden. Meine Erwartungen wurden übertroffen.

Vera Müller: Ich bin begeistert von diesem Mentoring. Du hast mich sehr viel an deinem Arbeitsalltag teilnehmen lassen und mir grosses Vertrauen entgegengebracht. Ich habe miterlebt, was die Herausforderungen einer solchen Position sind, welche Gedanken du dir machst und wie du deinen Tag strukturierst, um das grosse Pensum zu schaffen. Davon profitiere ich enorm. Und obwohl ich sehr weit weg bin von deiner Position, durfte ich reflektieren und sagen, was ich in deiner Situation machen würde.

Daniel Vögeli: Das ist interessant, wenn du von Distanz sprichst. Denn dadurch hast du mir wertvolle Inputs geliefert, die ich nicht gesehen hätte, weil ich zu nah dran bin. Ich kann dieses Mentoring allen Führungskräften wärmstens empfehlen. Denn im Tandem geht es um weit mehr als nur um Digitalität. Es werden auch Werte, Trends und Agilität angesprochen. Wichtige Themen für den Kulturwandel bei der Post.

Was ist Reverse Mentoring?

Führungskräfte 40+ können sich von jüngeren Personen beraten lassen, um ihre digitalen Kompetenzen zu erweitern. Somit profitieren sie in ihrer Führungsarbeit von deren Erfahrungen, Kenntnissen und Sichtweisen. Gleichzeitig ermöglichen sie der jüngeren Person, ihr Netzwerk zu erweitern und wertvolle Tipps sowie Begleitung und Unterstützung in ihrer beruflichen Entwicklung zu erhalten. Das Reverse-Mentoring-Programm wurde von der Führungsentwicklung der Post aufgebaut und kann in Zukunft auch auf die Unterstützung von Young Voice, dem beruflichen Netzwerk junger Postmitarbeitender, zählen.

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verfasst von

Sandra Gonseth

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