Die Post bietet Menschen mit Beeinträchtigung eine Chance am allgemeinen Arbeitsmarkt

Die Post will Menschen mit einer gesundheitlichen oder sozialen Beeinträchtigung Möglichkeiten bieten, auch im allgemeinen Arbeitsmarkt einer Tätigkeit nachzugehen. In rund 13 Postfilialen und in einem Standort des Contact Centers hat sie zwischen Februar 2022 und Mai 2023 geprüft, wie Menschen aus dem ergänzenden Arbeitsmarkt passende Arbeitspakete bieten kann. Nun setzt die Post das Vorhaben schweizweit um. So zum Beispiel in der Postfiliale Murten.

Leben mit einer angeborenen Krankheit, einer Lernschwäche oder einer anderen Beeinträchtigung – eine Herausforderung, privat wie auch in der Arbeitswelt. Viele Betroffene sind mit Hürden konfrontiert und arbeiten in geschützten Arbeitsplätzen, also im ergänzenden Arbeitsmarkt, mit wenig Berührungspunkten zum allgemeinen Arbeitsmarkt. So auch Pauline, eine junge Frau aus dem Kanton Freiburg. Zumindest bis vor wenigen Monaten. Menschen wie Pauline gibt die Post nämlich nun die Möglichkeit, einer spannenden und abwechslungsreichen Tätigkeit nachzugehen. Im Rahmen eines Pilotprojektes hat die Post zwischen Februar 2022 und Mai 2023 getestet, wie diese Integration in den jeweiligen Teams funktioniert. Dabei beschäftigte sie in rund 13 Filialen und in einem Contact Center Personen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Nach der gelungenen Testphase hat die Post entschieden, das Vorhaben in allen Regionen der Schweiz einzuführen. Damit will die Post ihre soziale Verantwortung als eine der grössten Arbeitgeberinnen der Schweiz noch stärker wahrnehmen. Nebst den aus dem Pilotprojekt bestehenden 14 Stellen will die Post bis Ende 2024 rund weitere 35 Stellen für Menschen mit einer Beeinträchtigung anbieten.

Pauline (rechts) trägt merklich zur guten Stimmung in der Filiale Murten bei. Im Bild zusammen mit Teamleiterin Eva Bigler (mitte) sowie SSEB-Geschäftsleiter Pierre Aufranc (links).

Pauline (rechts) trägt merklich zur guten Stimmung in der Filiale Murten bei. Im Bild zusammen mit Teamleiterin Eva Bigler (mitte) sowie SSEB-Geschäftsleiter Pierre Aufranc (links).

«Auf gemeinsamer Entdeckungstour» in Murten

«Wir freuen uns jeden Tag auf Pauline», sagt Eva Bigler, Teamleiterin in der Postfiliale Murten. Und Pauline: Sie ist eine aufgestellte 26-jährige Frau, die sichtlich stolz ist, seit rund einem Jahr auch die Farbe Gelb tragen zu dürfen. An vier Halbtagen pro Woche ist sie jeweils integraler Teil des Post-Teams in Murten: Briefe und Pakete für den Abtransport bereitmachen, am Schalter Aufträge von Geschäftskunden entgegennehmen – die Aufgaben sind unterschiedlich und richten sich nach dem, was sich Pauline zutraut. Und was sagt die neue Mitarbeiterin auf die Frage, ob die neue Tätigkeit ihr gefällt? Es folgt ein inbrünstiges «Ja, sehr!» bevor sie sich sofort wieder ihrer Arbeit widmet. Gerade füllt sie neu erhaltene Verkaufsartikel für die Kundschaft auf. Eva Bigler: «Auch nach fast einem Jahr sind wir noch auf gemeinsamer Entdeckungstour. Denn wir lernen viel voneinander.» Die Teamleiterin begleitet Pauline eng, um ihr immer neue Aufgaben und Einblicke zu ermöglichen, aber ohne Erwartungshaltung. Es soll kein Leistungsdruck entstehen. «Zum Beispiel gibt es keine festgesetzten Ziele und keinen Zeithorizont, in dem Arbeiten erledigt sein müssen», sagt Eva Bigler und fügt an: «Pauline hat sich gut integriert. Sie ist aber auch für uns eine grosse Bereicherung! Denn sie denkt mit, stellt Fragen und hat neuen Schwung ins Team gebracht.»

Enge Zusammenarbeit mit Institutionen

Begleitet wird Pauline durch die Stiftung des Seebezirkes für Erwachsene Beeinträchtigte (SSEB). Dort geht sie jeweils morgens einer Arbeit im ergänzenden Arbeitsmarkt nach, bevor sie am Nachmittag ihren Einsatz in der Postfiliale fortführt. Dieser Mix gefällt Pauline gut: «Die Zeit bei der Post vergeht schnell! Die Abwechslung tut mir gut und ich komme gerne hier her», freut sich die Freiburgerin.

Konzentriert bei der Arbeit. Pauline (rechts) möchte bald an fünf anstatt vier Nachmittagen bei der Post in Murten arbeiten.

Konzentriert bei der Arbeit. Pauline (rechts) Im Gespräch mit einer Arbeitskollegin.

Pierre Aufranc, Geschäftsleiter der SSEB, ist stets auf der Suche nach sinnstiftenden Tätigkeiten für die rund 110 Personen, die die SSEB betreut. «Die heutige Gesellschaft ist sehr leistungsorientiert. Die Post bietet hier etwas an, was nur sehr Wenige tun. Sie akzeptiert Menschen, die nicht zu 100 Prozent dem Schema entsprechen und macht sie sichtbar», so Aufranc. Er unterstützt das Projekt. Vor allem, weil die Betreuung optimal sichergestellt ist. Die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung bei der Post bleiben nämlich in ihrer jeweiligen Institution angestellt. Sie haben keinen Post-Vertrag. «Das ist wichtig und richtig», sagt der SSEB-Geschäftsleiter. «Denn nur so können wir die Menschen bei Bedarf vollumfänglich unterstützen, zum Beispiel psychologisch oder für Angelegenheiten mit Behörden.»

Thomas Baur, Leiter PostNetz und Mitglied der Post-Konzernleitung, ist vom Vorhaben überzeugt: «Wir setzen uns seit jeher für Mitarbeitende ein, die aufgrund gesundheitlicher Beschwerden in ihrer Arbeit eingeschränkt sind. Zum Beispiel gibt es bei der Post Fachstellen, die Mitarbeitende nach einem Unfall für ihre berufliche Reintegration eng begleiten. Dieses Pilotprojekt mit Menschen aus dem ergänzenden Arbeitsmarkt Arbeitsplätzen hat uns aber gezeigt, dass wir mehr machen können. Jeder Mensch hat eine Chance verdient. Vielleicht können wir damit sogar ein Vorbild für andere Firmen sein.»

 

Vielfalt und Inklusion: Eine Herzensangelegenheit der Post

Vielfalt und Inklusion ist in der Strategie der Post verankert. Die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung ist ein Teil davon. Beeinträchtigungen können sichtbar und unsichtbar sein, temporär und dauerhaft, geistig, psychisch, sensorisch oder körperlich. Zusätzlich zum Vorhaben in den Postfilialen und im Contact Center ist die Post in zwei weiteren Bereichen aktiv:

  • In der Reintegration von verunfallten und erkrankten Mitarbeitenden, indem die Post die Betroffenen dabei unterstützt, innerhalb der Post einer angepassten oder einer neuen Tätigkeit nachzugehen.
  • In der Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen durch eine Anstellung bei der Post. So bildet die Post beispielsweise Lernende mit Beeinträchtigungen aus. Zu diesem Zweck bietet die Post sowohl eine Vorlehre im Logistikbereich als auch eine Integrationsvorlehre für geflüchtete Menschen und vorläufig Aufgenommene an. In einem weiteren Pilotprojekt bildet die Post seit August 2022 in drei Berufsfeldern systematisch Lernende mit Beeinträchtigungen aus.

 

Was bedeutet «allgemeiner und ergänzender Arbeitsmarkt»?

Mit «allgemeinem» und «ergänzendem» Arbeitsmarkt orientiert sich die Post an den definierten, diskriminierungsfreien Begrifflichkeiten der Studie «Marché Complémentaire». Diese Begriffe wurden auch durch den nationalen Branchenverband der Dienstleister für Menschen mit Behinderung INSOS übernommen. Der ergänzende oder auch zweite Arbeitsmarkt umfasst die geschützten Arbeitsplätze, wo Produktivität, Stabilität und Präsenz an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeitenden angepasst sind. Als allgemeiner oder auch erster Arbeitsmarkt wird der reguläre Arbeitsmarkt bezeichnet.